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erschießen, wenn wir nicht sofort sein Lokal verlassen
würden.
»Wegeneuchkriegichjetztmegazoffmitmeineralten!«,
brüllte Obiwiederbaumarkt uns hinterher, quer über die
Straße. Ich schnallte Edward auf dem Beifahrersitz an und
Martin setzte sich nach hinten.
»So ist das bei uns«, sagte Edward beim Losfahren.
Obwohl er weitergetrunken hatte, wirkte er klarer als zu
Beginn unserer Begegnung in der Kneipe, vielleicht hatte
das Sprechen den Nebel in ihm vertrieben. Er erklärte uns,
wohin wir fahren mussten, auch wenn er nicht daran
glaubte, dass wir mehr Erfolg haben würden als er.
An den Orten, die wir aufsuchten, war er bereits die
Nacht zuvor gewesen, er hatte Leute aus dem Schlaf
geklingelt, von denen er hoffte, sie hätten Aladin in den
vergangenen sechs Wochen gesehen, er blieb bis zur
Sperrstunde in Lokalen, die irgendjemand erwähnt hatte
und in denen sein Halbbruder angeblich verkehrte.
Donnerstag Nacht, als Martin in der Nähe der Pension
»Stefanie« auf ihn gewartet hatte, traf er sich mit dem
Manager des FC Bayern, den er zuvor am Telefon beinahe
angefleht hatte, sich eine halbe Stunde Zeit zu nehmen.
Nach dem Gespräch, bei dem der Mann ihm versicherte,
er habe seit zwei Jahren kein Wort mit Aladin gewechselt,
obwohl sie vereinbart hatten, er könne sich jederzeit
melden und sei als Zuschauer bei jedem Training will-
kommen, ebenso bei den vereinsinternen Weihnachts-
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feiern, besuchte Edward zwei Clubs, in denen Spieler des
FC Bayern Stammgäste waren. Er traf nur zwei der
Jüngeren, die Aladin lediglich von Fotos kannten. Am
Morgen danach rief er den Arzt an, mit dem auch Martin
gesprochen hatte, und erfuhr nicht mehr, als er bereits
wusste. In seiner Not fuhr er ein zweites Mal in die
Lerchenau und stellte Genoveva Viellieber in ihrer
Bankfiliale zur Rede, weil er überzeugt war, sie habe ihm
etwas verschwiegen. Und stündlich rief er Aladins Handy-
nummer an, doch jedes Mal meldete sich die automatische
Stimme der Mailbox, wie schon seit ungefähr zwei
Monaten. Da er wusste, er würde Mitte Februar nach
München kommen und seinen Halbbruder treffen, um
gemeinsam mit ihm seinen Plan in die Tat umzusetzen,
und da er sein Erfurter Projekt nicht verlassen konnte,
hatte er seine Sorgen verdrängt und sich eingeredet,
Aladin sei einfach wieder »strawanzen« wie schon oft.
Schon zuvor, wenn sie miteinander telefoniert hatten,
weigerte sich Aladin hartnäckig zu sagen, wo er sich
gerade herumtrieb.
»Er fand das gut, wenn man nicht wusste, wo er steckt«,
sagte Edward. »Am liebsten wär er unsichtbar gewesen,
zumindest manchmal, und je älter er wurde, desto öfter.«
Für uns war Aladin Toulouse ein Unsichtbarer. In der
Nacht zum Samstag, dem vierzehnten Februar, klapperten
wir alle Örtlichkeiten ab, die Edward uns nannte und an
denen er selbst zwölf Stunden zuvor gewesen war: an der
Rosenheimer Straße, an der Prinzregentenstraße, an der
Maximilianstraße, im Glockenbachviertel, im Lehel, in
Schwabing, in Harlaching. Wir durchquerten die Stadt von
Norden über den Osten nach Süden, nur der westliche Teil
blieb uns erspart. Es war eine Reise durch ein verlas-
senenes Universum, weder Martin noch ich rechneten
damit, Aladin zu begegnen, diese Art Zufälle gab es in
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unserem Beruf nicht. Nach allem, was Edward Loos uns
erzählt hatte, glaubten wir nicht an einen glücklichen
Ausgang der Suche. Worin denn hätte dieser Glaube
bestehen sollen? An der Beschwörung der Ausnahme? Ich
war seit fünfundzwanzig Jahren bei der Polizei, davon die
letzten zwölf in der Vermisstenstelle und davor vier in der
Mordkommission und in anderen Abteilungen wie der
Todes- und der Brandfahndung. Hätte ich keine
Bürophobie gehabt, die noch dazu von Jahr zu Jahr
schlimmer wurde, sondern meine Arbeit wie die meisten
meiner Kollegen erledigt, wäre ich nie auf die
wahnwitzige Idee einer nächtlichen Fahndung im Auto
verfallen. Ich hätte abgewartet, auf rasche Ergebnisse aus
dem INPOL-System gehofft, auf Übereinstimmungen mit
der VERMI/UTOT-Datei des BKA, auf die Arbeit des
Landeskriminalamtes vertraut, ordnungsgemäß die KP-16-
Meldungen mit markanten Informationen über den
Verschwundenen ausgefüllt, notfalls ärztliche oder
zahnärztliche Befunde besorgt und daktyloskopische
Spuren gesichert, und falls entsprechende Hinweise
vorgelegen hätten, hätte ich die zentrale Suchstelle des
BKA, »Sirene«, eingeschaltet, von der aus die Fahndung
gemäß dem Schengener Informationssystem ins Ausland
ausgeweitet wurde. Ich wusste, dass bestimmte Länder
dieselbe Arbeit unterschiedlich einstuften, so galt in Italien
eine Person bereits dann als vermisst, wenn diese sich aus
ihrer Wohnung entfernte und nicht innerhalb der nächsten
vierundzwanzig Stunden zurückkehrte, während in
Griechenland eine Vermissung im Aufgabengesetz
überhaupt nicht definiert wurde und sich die dortigen
Kollegen bei der Fahndung nach einer Empfehlung des
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