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auch ihren Saft! Bei mir ist der Saft in seiner Quelle ver-
trocknet.« »Ich will Ihnen nicht von den religiösen
Empfindungen sprechen, welche die Entsagung hervor-
bringen«, sagte der Pfarrer; »aber, Madame, sollte nicht
die Mutterschaft...« »Hören Sie auf!« unterbrach ihn
die Marquise; »zu Ihnen werde ich wahr sein. Ach, ich
kann es künftig zu niemandem sein. Ich bin zur Falsch-
heit verurteilt; die Welt verlangt Masken und befiehlt,
wenn wir uns nicht ihren Tadel zuziehen wollen, ihren
Konventionen zu gehorchen. Es gibt zweierlei Mutter-
schaft, Monsieur. Früher habe ich von diesem Unter-
schied nichts gewußt; heute kenne ich ihn. Ich bin nur zur
Hälfte Mutter; es wäre besser, es gar nicht zu sein. Hélè-
ne ist nicht von ihm! Oh, schrecken Sie nicht zurück!
Saint-Lange ist ein Schlund, in dem viele falsche Emp-
findungen versunken sind, wo das Unheil seinen Schatten
wirft, und wo die Kartenhäuser unnatürlicher Gesetze in
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sich zusammenfielen. Ich habe ein Kind, gut; ich bin
Mutter, das Gesetz will es. Aber Sie, Monsieur, der Sie
eine Seele haben, die so zart mitfühlen kann, vielleicht
können Sie den Aufschrei einer armen Frau verstehen,
die kein unechtes Gefühl in ihr Herz hat eindringen las-
sen. Gott wird über mich richten, aber ich glaube seinen
Gesetzen zuwiderzuhandeln, wenn ich den Gefühlen
nachgebe, die er in meine Seele gepflanzt hat. Hören Sie,
wie es in meiner Seele aussieht! Ist nicht ein Kind das
Ebenbild zweier Menschen, die Frucht zweier, aus freiem
Willen vereinter Leidenschaften? Wenn man nicht mit
allen Regungen des Körpers und mit aller Zärtlichkeit
des Herzens an ihm hängt; wenn es nicht an köstliche
Liebesstunden, an die Tage, die Plätze erinnert, wo diese
beiden Menschen glücklich waren, wo ihre Sprache von
Musik, ihre Gedanken von süßer Heiterkeit erfüllt waren,
dann ist es eine verfehlte Schöpfung. Ja, es muß für sie
eine entzückende Miniatur sein, in der aller Zauber ihres
geheimen Doppellebens liegt; es muß ihnen eine Quelle
fruchtbarer Empfindungen, muß zugleich ihre ganze
Vergangenheit, ihre ganze Zukunft sein. Meine arme
kleine Hélène ist das Kind ihres Vaters, das Kind der
Pflicht und des Zufalls; sie findet in mir nur den weibli-
chen Instinkt, das Gesetz, das uns unweigerlich zwingt,
das Geschöpf zu schützen, das in unserm Leibe gewach-
sen ist. Vom Standpunkt der Gesellschaft aus bin ich frei
von Vorwurf. Habe ich dem Mädchen nicht mein Leben
und mein Glück zum Opfer gebracht? Sein Schreien zer-
reißt mir das Herz; wenn es ins Wasser fiele, würde ich
mich hineinstürzen, um es herauszuholen. Aber in mei-
nem Herzen ist es nicht. Ach! die Liebe ist schuld, daß
mir von einer höheren, von einer vollkommeneren Mut-
terschaft träumte; in einem Traum, der jetzt erloschen ist,
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liebkoste ich das Kind, das die Sehnsucht empfing, noch
ehe es erzeugt wurde, die köstliche Blüte, die in der Seele
wächst, bevor sie das Licht der Welt erblickt. Ich bin für
Hélène, was im Reich der Natur eine Mutter für ihre Jun-
gen sein muß. Wenn sie mich nicht mehr braucht, wird
alles erledigt sein; wenn die Ursache schwindet, hören
auch die Wirkungen auf. Wenn die Frau das herrliche
Vorrecht hat, ihre Mutterschaft auf das ganze Leben ihres
Kindes auszudehnen, muß man diese himmlische Dauer
des Gefühls nicht auf die Ausstrahlungen ihrer seelischen
Empfängnis zurückführen? Wenn nicht die Seele seiner
Mutter die erste Hülle des Kindes gewesen ist, dann hört
die Mutterschaft in ihrem Herzen auf wie bei den Tieren.
Das ist die Wahrheit, ich fühle es: je mehr meine arme
Kleine heranwachst, je kälter wird mein Herz. Die Opfer,
die ich ihr gebracht habe, haben mich schon von ihr ab-
gewandt, während mein Herz für ein anderes Kind, das
fühle ich, unerschöpflich gewesen wäre; für jenes andere
wäre nichts Opfer, wäre alles Lust gewesen. Hier, Mon-
sieur, vermag die Vernunft, die Religion, alles, was in
mir ist, nichts gegen meine Empfindungen. Hat die Frau,
die nicht Mutter und nicht Gattin ist und die, zu ihrem
Unglück, die Liebe in ihrer unsäglichen Schönheit, die
Mutterschaft in ihrer grenzenlosen Wonne geschaut hat,
hat sie unrecht, daß sie sterben will? Was kann aus ihr
werden? Ich kann Ihnen sagen, was sie durchmacht!
Hundertmal am Tag, hundertmal bei Nacht überläuft ein
Schauder mir Kopf und Herz und den ganzen Körper,
wenn eine zu zaghaft niedergezwungene Erinnerung das
Bild eines Glückes bringt, das ich vielleicht schöner er-
träume, als es ist. Unter diesen grausamen Phantasien
erlischt all mein Gefühl, und ich frage mich: : Wie wäre
mein Leben verlaufen, wenn ...?9 «
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Sie schlug die Hände vors Gesicht und brach in Tränen
aus.
»So sieht es in meinem Herzen aus!« fuhr sie dann fort.
»Für ein Kind von ihm hätte ich die schrecklichsten Qua-
len erduldet! Der Gott, der alle Sünden der Erde auf sich
nahm und am Kreuze starb, wird mir den Gedanken ver-
zeihen, der für mich tödlich ist; aber die Gesellschaft, das
weiß ich, ist unversöhnlich, für sie sind meine Worte
Lästerungen; ich spreche all ihren Gesetzen Hohn. Oh,
ich wollte dieser Welt den Krieg erklären, um ihre Geset-
ze und Bräuche zu erneuern, um sie zu zerbrechen! Hat
sie mich nicht in all meinen Gedanken, in all meinen Fi-
bern, in all meinen Empfindungen, in all meinem Wollen,
in all meinen Hoffnungen, in Zukunft, Gegenwart und
Vergangenheit getroffen? Für mich ist der Tag voller
Finsternis, das Denken ein Schwert, mein Herz eine
Wunde, mein Kind eine Verneinung. Ja, wenn Hélène zu
mir spricht, möchte ich, sie hätte eine andere Stimme;
wenn sie mich ansieht, möchte ich, sie hätte andere Au-
gen. Sie ist nur da, um mir vor Augen zu halten, was sein
sollte und was nicht ist. Sie ist mir unerträglich! Ich läch-
le sie an, ich suche sie für die Empfindungen, die ich ihr
raube, zu entschädigen. Ich leide! Oh, Monsieur, ich lei-
de zu sehr, um weiterleben zu können! Und ich werde für
eine tugendhafte Frau gelten! Ich habe keinen Fehltritt
begangen! Man wird mich ehren! Ich habe die unfreiwil-
lige Liebe, der ich nicht nachgeben durfte, bekämpft;
aber wenn ich körperlich treu geblieben bin, habe ich
mein Herz gewahrt? Das hier« damit legte sie die Hand
auf die Brust »hat nur einem einzigen Menschen ge-
hört. Mein Kind täuscht sich auch nicht darüber. Mütter
haben Blicke, eine Stimme, Gebärden, deren Gewalt die
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Kinderseele formt; meine arme Kleine aber fühlt nicht,
wie mein Arm bebt, wie meine Stimme zittert, wie meine
Augen glänzen, wenn ich sie ansehe, wenn ich zu ihr
spreche oder wenn ich sie aufnehme. Sie wirft mir ankla-
gende Blicke zu, die ich nicht aushalte! Manchmal erzit-
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